Lookism in der Werbung – oder: Die Werbung ist an allem schuld!?

Lookism(1) in der Werbung – oder: Die Werbung ist an allem schuld!?

Läuft mensch durch die Straßen, fährt U-Bahn oder sitzt im Kino, überall wird für Produkte geworben. Und dabei werden zumeist „schöne“ Körpern gezeigt, also solche, die dem Schönheitsideal entsprechen. Da liegt schnell der Schluss nahe, dass die Werbung schuld sein muss: Am Schönheitsdruck, den Essstörungen oder am eigenen angeknacksten Selbstbewusstsein.

Jedoch gestalten sich die Zusammenhänge in der Realität durchaus etwas komplexer. Auf jeden Fall spiegelt Werbung gesellschaftliche (Macht-)Verhältnisse wider. Nicht umsonst sind es meist Frauen(2), die mit sexualisierten Körpern zur Wertsteigerung eines Produktes auftreten, ist sexuelles Begehren in der Werbung meist heterosexuell und die Menschen weiß- und wenn schwarz, dann oft mit rassistischen Klischees belegt(3).
Allerdings sind die Ursachen nicht bei den „bösen Werbekartellen“, oder noch simpler „denen da oben“, zu finden. Anstatt Funktionen und Produktionsbedingungen von Werbung auszublenden und sie dadurch verschwörungstheoretischem Denken zugänglich zu machen, macht es mehr Sinn, sich die eigentliche Aufgabe von Werbung zu verdeutlichen. Meist soll Werbung zu dem Kauf eines Produktes oder einer Dienstleistung motivieren. Das Hauptaugenmerk bei der Werbekonzeption gilt dabei der Zielgruppe, die Werbung richtet sich entlang ihrer jeweiligen Lebensentwürfe und Normen. Gäbe es in der Gesellschaft keinen Sexismus/…, gäbe es vermutlich auch keine sexistische/… Werbung, weil diese niemanden ansprechen würde. Gesellschaft und Werbeproduktion stehen immer in einem Wechselverhältnis. Zudem Menschen, die Werbung produzieren, auch Teil der Gesellschaft sind und somit (un-)bewusst gesellschaftliche Strukturen reproduzieren.(4)

Andererseits bilden genau diese gesellschaftlichen Verhältnisse den Rahmen, in dem sich inhaltliche(5) Werbekritik verstehen lässt. So lässt sich eine antisexistische Kritik an einer Werbung, in der eine Frau halbbekleidet für ein (Männer-)Produkt wirbt, weder damit begründen, dass ein halbbekleideter Mensch zu sehen ist, noch damit, dass das Model als fremdgeleitetes „Opfer“(6) gedeutet wird. Diese Werbung lässt sich als sexistisch verstehen, wenn mensch die seit Jahrhunderten bestehenden patriarchalen Strukturen(7) miteinbezieht. Innerhalb dieser Verhältnisse kommt Frauen unter anderem die Funktion zu, (sexuelles) Objekt für Männer zu sein – und genau diese Logik wird in so einer Werbung fortgesetzt!
Genausowenig kann zusammenhangslos kritisiert werden, dass ein dünner Mensch als Werbeträger dient, da nicht der Fakt des „Dünn-Seins“ das Problem ist, sondern dass in der Werbung (fast) nur dünne Menschen zu sehen sind(8) und somit eine gesellschaftlich konstruierte Körpernorm nicht nur widergespiegelt, sondern gleichzeitig auch verstärkt wird.

Darüber hinaus lässt sich an dem Beispiel von Werbung auch die Verschränkung von Sexismus und Lookism erkennen, so entspricht das Attribut „dünn“ sowohl der (männlichen) Vorstellung von „Frau“ als auch dem Ideal des „attraktiven Körpers“.
Wenn auch Werbung gesellschaftliche Normen und Stereotype reproduziert (anstatt sie allein zu produzieren), darf ihre Wirkungsmacht auf Individuen nicht vergessen werden – genau das ist ja die Funktion von Werbung. Werbebotschaften sprechen die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe an und transportieren dabei bestimmte Vorstellungen und Glücksversprechungen. Und dabei werden immer auch Normen und Ideale übermittelt: Zum tollen Leben braucht mensch also nicht nur das angeworbene Produkt, sondern auch die Zweierbeziehung oder Kleinfamilie genauso wie einen schlanken Körper oder ein faltenloses Gesicht.
Ergo verfestigt und bestärkt sexistische/rassistische/lookistische/.. Werbung gesellschaftliche Machtverhältnisse sowohl, als es diese auch widerspiegelt. Daher ist es im Umgang mit Werbung nicht damit getan, diese zu verteufeln oder im Gegenzug, unkritisch aufzunehmen, solange gesellschaftliche Verhältnisse und somit auch eigene Positionen nicht mitgedacht werden.
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(1) Diskriminierung aufgrund des körperlichen Erscheinungsbildes
(2) Wir gehen davon aus, dass die Geschlechterordnung bzw. die Zweigeschlechtlichkeit gesellschaftlich konstruiert ist, sprechen im Text aber trotzdem von Frau/Mann, da diese Konstrukte die Gesellschaft strukturieren und als Gewaltverhältnisse real wirksam sind.
(3)Dies entspricht einer Normalisierung von Weißsein: „Weiß“ ist die bestimmende Norm im Verhältnis zu dem als besonders oder als anders konstruierten „Schwarz“.
(4) Mal davon abgesehen, dass in der Werbebranche genauso wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen sexistische und rassistische Strukturen zu finden sind (so ist davon auszugehen, dass auch hier in den höheren Positionen mehrheitlich weiße Männer sitzen). Bilder/Werbung zu produzieren, ist somit auch eine Form von Vorrecht, das nicht jede_r besitzt.

(5)Ein anderer Kritikpunkt wäre die (antikapitalistische) Kritik an der Werbung „an sich“, doch das soll in diesem Text nicht diskutiert werden
(6)Damit soll darauf angespielt werden, dass in dem Diskurs Models einerseits „viktimisiert“ werden (als ob sie nicht selbstbestimmt seien) oder ihnen andererseits das Recht zur Selbstbestimmung abgesprochen wird.
(7)Beziehungsweise im weiteren Sinne ist anzunehmen, dass patriarchale Strukturen schon seit Jahrtausenden existieren. Wobei wir auch hier nicht von einem einseitig binären Machtverhältnis ausgehen, dass die einfache Opferrolle von Frauen postuliert; außerdem lassen sich Frauen nicht als homogene Gruppe beschreiben (Verschränkung von gender, „race“ und class).
(8) Außer, es werden „bewusst“ andere Körper eingesetzt, entweder in der Funktion, ein bestimmtest Klischee zu erfüllen („der gemütliche Dicke“) oder um „Rebellion“ zu simulieren, so zum Beispiel die „anti-lookistischen“ Kampagnen von Body Shop und Dove. Diese erfolgen aus markwirtschaftlichem Interessen, stellen aber trotzdem bis zu einem gewissen Punkt „Gegenkonzepte“ dar.