FAQ
1. Was ist Lookism?
2. Warum beschäftigt ihr euch mit Lookism?
3. Ist mein Schönheitsempfinden nicht a.) etwas total Natürliches und b.) etwas völlig Individuelles?
4. Wollt ihr Lookism mit anderen Diskriminierungsformen wie beispielweise Sexismus oder Rassismus in eine Reihe stellen? Und ist Lookism nicht einfach nur Sexismus?
5. Seid ihr gegen Bewerbungsfotos?
6. Habt ihr was gegen Schönheit?
7. Was glaubt ihr, was man gegen Lookism unternehmen kann?
8. Denkt ihr, dass die Werbung schuld ist an dem Druck, „schön“ aussehen zu müssen?
9. Seid ihr hässlich?
10. Seid ihr gegen Sport, Schminke, Körperhygiene und Kosmetik, Schönheits-OPs und Mode?
11. Aber dick sein ist doch ungesund?
1. Was ist Lookism?
Unter Lookism verstehen wir den Mechanismus, Menschen aufgrund ihres Körpers irgendwo zwischen den zwei Polen „schön“ und „hässlich“ zu verorten, wobei Schönsein was positives ist und nicht „schön” oder „hässlich” sein meist negativ bewertet wird.
2. Warum beschäftigt ihr euch mit Lookism?
Dafür gibt es ganz unterschiedliche Motive, aber ein Hauptgrund ist sicherlich, dass es sonst kaum jemand macht. Zum Beispiel findet auch in explizit herrschaftskritischen Zusammenhängen kaum eine Auseinandersetzung damit statt. Das Kategorisieren in „schön“ und „hässlich“ ist in unserer Gesellschaft mehr oder weniger selbstverständlich, so dass es kaum jemand in Frage stellt. Sogenannte „überzogene Schönheitsideale“ werden zwar kritisiert, aber dass mit dem Konzept von schönen und hässlichen Menschen per se Hierarchisierungen und Ausschlüsse einhergehen, ist selten Thema. Beispielsweise ist die Annahme, dicke Menschen seien grundsätzlich weniger attraktiv (auch wenn sie das durch andere Qualitäten mehr oder weniger kompensieren können), relativ üblich und wird an sich selten skandalisiert.
Das Infragestellen von Schönheitsnormen ist sicherlich nicht unser einziger Fokus, wir beschäftigen uns auch mit vielen anderen Themen. Doch wir denken, dass sobald man emanzipatorische Ansprüche an sich oder andere stellt, die Auseinandersetzung mit eigenen verinnerlichten Hierarchisierungsmechanismen unumgänglich ist. Und dazu zählen wir eben auch Lookism. Wobei es völliger Quatsch wäre, wenn Menschen nicht (inhaltlich) kritisiert und bewertet werden könnten – wir halten es aber für nicht besonders emanzipativ, Menschen nach ihren körperlichen Eigenschaften einzuteilen und zu bewerten.
3. Ist mein Schönheitsempfinden nicht a.) etwas total Natürliches und b.) etwas völlig Individuelles?
Das Aussehen einer Person (einschließlich ihrer Inszenierung durch Kleidung, etc.) wird je nach Zeit, Ort und Gesellschaft sehr unterschiedlich bewertet. Unserer Meinung nach ist diese Bewertung weder „natürlich“ noch hat sie „biologische Ursachen“. Als simples Beispiel sind rasierte Frauenbeine weder natürlich (zum Beispiel im Sinne von „ursprünglich“) noch haben sich Frauen immer rasiert oder tun dies heutzutage überall. Genauso wenig zeugt ein rasiertes Bein von einem „guten Genpool“ (ein in der Attraktivitätsforschung sehr beliebtes Argument für die biologische Rechtfertigung von Schönheitsidealen). Überdies gilt nur ein unrasiertes Frauenbein als hässlich, im Gegenteil zum unrasiertes Männerbein, welches eher mit „ursprünglicher Männlichkeit“ in Verbindung gebracht wird.
Klar finden in einer bestimmten Szene/Clique nicht alle genau dieselben Menschen schön oder hässlich, weil jeder Mensch eine eigene Geschichte hat und von unterschiedlichen Dingen beeinflusst wird. Aber nichtsdestotrotz gibt es unbestreitbar Schönheitsnormen, von denen wir auf irgendeine Art und Weise geprägt sind. Und meist weicht das persönliche Schönheitsempfinden nur innerhalb eines gewissen Rahmens von diesen Normen ab. Wie viele Leute kennst du beispielsweise, die gelbe Zähne, Dellen und Pickel am Po, Haare auf einer (weiblichen) Brust oder Schuppen im Haar explizit schön finden?
Auch wenn es Szenen gibt, die sich von den Schönheitsnormen des Mainstreams bewusst abheben wollen, wird dabei meist lediglich eine Gegennorm konstruiert, anstatt die Normierung von Körpern an sich in Frage zu stellen. Beispielsweise sind Piercings, alternative Kleidung oder zumindest eine Tätowierung ein Muss, um in bestimmten Szenen anerkannt zu werden und nicht als langweilig und spießig zu gelten – andere körperlichen Normen aus dem Mainstream werden jedoch gleichzeitig unverändert beibehalten.
Es gilt also, einzigartig zu sein, aber bitte doch der Norm entsprechend.
4. Wollt ihr Lookism mit anderen Diskriminierungsformen wie beispielweise Sexismus oder Rassismus in eine Reihe stellen? Und ist Lookism nicht einfach nur Sexismus?
Natürlich haben und hatten diese definitiv fatalere Auswirkungen (genauso wie Antisemitismus, Homophobie, etc) und sind komplexer, weshalb wir Lookism mit diesen nicht “gleichberechtigt” in eine Reihe stellen würden (und das wollen wir mit der Aufmachung eines neuen –ismus auch nicht implizieren). Warum wir trotzdem so oft Lookism zusammen mit Sexismus und Rassismus erwähnen, liegt daran, dass sie sowohl inhaltlich als auch strukturell eng verwoben sind. Grundsätzlich aber halten wir solche Hierarchisierungsversuche ohnehin für schwierig und nicht besonders produktiv.
Wir halten den Begriff Lookism für sinnvoll, da er bestimmte Mechanismen beschreibt, die beispielsweise Sexismus nicht fassen kann. Wenn man z.B. davon ausgeht, dass „Weiblichkeit“ an „Schönheit“ gekoppelt ist (im Sinne von „Schönheit“ als Wesensmerkmal von „Weiblichkeit“), kann man Werbung mit fast ausschließlich dünnen weiblichen Models als sexistisch kritisieren. Aber die Tatsache, dass auch fast alle männlichen Models dünn sind, lässt sich hingegen schwer mit dem Sexismus-Begriff beschreiben.
„Schönheit“ ist somit eine soziale Unterscheidungskategorie, die eng mit anderen Kategorien wie Geschlecht, aber auch mit ‚race’, ‚class’ und ‚(dis)ability’ verschränkt ist, ohne jedoch in ihnen aufzugehen.
5. Seid ihr gegen Bewerbungsfotos?
Diese Frage kommt immer wieder auf… Ja, wir sind tatsächlich gegen Bewerbungsfotos, weil wir Arbeit sowieso doof finden. Und auch wenn für uns bei der Thematisierung von Lookism definitiv andere Dinge im Vordergrund stehen, sind Bewerbungsfotos ein Indiz dafür, welchen Stellenwert Aussehen in der Gesellschaft hat.
6. Habt ihr was gegen Schönheit?
Erstmal geht es uns sowieso nur um die Bewertung von Menschen. Erwähnen wir in diesem Zusammenhang Schönheit und Hässlichkeit, meinen wir lediglich das Labeln von Körpern in „schön“ oder „hässlich“. Und in diesem Sinne finden wir das gesellschaftliche Konzept von Schönheit durchaus problematisch.
Hat jemand das Gefühl, dass andere den eigenen Körper nicht mögen oder findet sich selber hässlich, ist dies oft ziemlich tiefgreifend mit dem Gefühl der eigenen Wertigkeit verbunden. Daran gekoppelt ist auch eine Empfindung von „Ohnmacht“, da es so normal erscheint, in den Kategorien „schön“ und „hässlich“ gefangen zu sein.
Da Schönheit und Hässlichkeit augenscheinlich zwei Seiten einer Medaille sind, stellen wir uns daher die Frage, ob „schöne“ Körper überhaupt gedacht werden können, ohne dabei die Kategorie des „hässlichen“ Körpers aufzumachen. Definiert sich der Begriff der Schönheit nicht erst durch seinen Gegenpol, die Hässlichkeit?
7. Was glaubt ihr, was man gegen Lookism unternehmen kann?
Lookism ist ein allgegenwärtiges Phänomen und natürlich sind wir nicht in der Lage, Schönheitsnormen gesamtgesellschaftlich „abzuschaffen“ (mal davon abgesehen, dass es dann noch genug andere Probleme auf der Welt gäbe!). Aber wir denken, dass ein guter Anfang sein kann, sich den eigenen Umgang mit Schönheitsnormen bewusst zu machen; zum Beispiel: Warum finde ich jemanden schön oder hässlich? Was genau mag ich (nicht) und aus welchen Gründen? Wie kommuniziere ich das? Und hat das was mit gesellschaftlichen Schönheitsnormen zu tun?
Wenn man das eigene Schönheitsempfinden reflektiert, kann es an Wirkmächtigkeit verlieren. Das kann unter Umständen auch einen neuen Umgang mit Schönheitsnormen möglich machen – zum Beispiel sich diesen Normen eben nicht anzupassen, sondern lieber schön unbequem zu sein.
8. Es gibt Leute, die behaupten, dass Werbung für die heutigen Schönheitsnormen verantwortlich ist – seht ihr das auch so?
Nein. Wir sehen Werbung vielmehr als einen Spiegel der Gesellschaft, der gesellschaftliche Normen reproduziert. Schönheitsnormen werden nicht von einer „übergeordneten Instanz“ verordnet, sie entwickeln sich durch und in der Gesellschaft. Es gäbe keine dünnen Models, wenn diese keine positive Resonanz und somit gesteigerte Verkaufszahlen mit sich bringen würden.
Wobei wir nicht bestreiten wollen, dass Werbung gesellschaftlichen Einfluss hat und populäre Bilder, die Rückwirkung auf den einzelnen Menschen haben, produziert. Medien jedoch als Ursache zu verstehen, wäre zum einen eine völlig verkürzte Kritik und würde zum anderen alle Menschen zu naiven und passiven Konsument_innen machen, denen jede Möglichkeit, sich von stereotypen Vorstellungen abzugrenzen, fehlt.
9. Seid ihr hässlich?
Wir haben lackierte Fingernägel, Glatzen, blondierte Haare, rasieren uns oder auch nicht, haben große Knie, … Außerdem schauen wir gerne Serien, liegen mit Chips auf dem Sofa, finden Flohmarkt toll, gehen gerne feiern, mögen Streetart und machen Kunst, trinken und rauchen viel, finden Deutschland scheiße, skaten, zeichnen Comics, in love with Cyborgs, …..
10. Seid ihr gegen Sport, Schminke, Körperhygiene und Kosmetik, Schönheits-Ops und Mode?
Nö. Wir denken, mit dem eigenen Körper sollen alle das machen, was sie möchten. Das Statement „Mein Körper gehört mir!“ beschreibt das ganz gut. Wenn jemand sich dafür entscheidet, sich zu rasieren, zu schminken oder operieren zu lassen, ist das ganz alleine seine Sache – genauso sollte es auch okay sein, wenn jemand darauf keine Lust hat. Auch wenn alle diese Entscheidungen irgendwie in Schönheitsnormen eingebunden sind und unsere Idealvorstellung eine Gesellschaft ohne Normierung ist.
11. Aber dick sein ist doch ungesund?
Rauchen ist ungesund, genau wie zuviel Alkohol und Kaffee und angeblich vieles andere. Beim Thema Lookism kommt sehr schnell die Rechtfertigung auf, dass man Übergewicht aufgrund von Gesundheitsaspekten verurteilen müsste. Das geschehe nur zum Wohle der als „zu dick“ kritisierten Personen. Davon abgesehen, dass die Theorie, dass so genanntes Übergewicht ungesund sei, äußerst umstritten ist: Geht es bei der Formel „dick ist ungesund und hässlich“ wirklich um die Gesundheit und das Wohlbefinden der anderen Person?